98 JOURNAL OF THE SOCIETY OF COSMETIC CHEMISTS Anstatt einer der Temperatur entsprechenden vollen Wasserdampfsiittigung verfiigt er nur tiber einen Teil der fiir ihn tragbaren Wassermenge, er hat also ein Wasserdefizit. Man drtickt diesen Anteil als relative Luftfeuchte prozentisch aus. Die relative Luft- feuchte ist also kein Mag fiir die in der Luft enthaltene Wassermenge, sondern fiir den Grad der Wasserdampfsiittigung bei gegebener Temperatur. Um zu einem Flieggleichgewicht - steady state - zu kommen, ist der aufgeheizte Luft- kiSrper bestrebt, sein Wasserdefizit aufzuftillen. Nun hat die Haut entsprechend ihrer durchschnittlichen Temperatur von 30-32øC im Verhiiltnis zum aufgeheizten Luft- kiSrper einen hohen Dampfdruck. Die Differenz der Wasserdampfdichten der Haut und der winterlichen Luft ob drinnen oder draugen ist grog, und sie kann im Zimmer noch griSger sein, weil dort reit der Luft auch die Haut aufgeheizt wird. Im Gegensatz zur Luft steigt aber der Dampfdruck der Haut in der Stube reit der Temperatur der Haut an. Und so holt sich der wasserarme, aufgeheizte LuftkiSrper das ihm fehlende Wasser aus der Haut bis zu deren Austrocknung. Im Soreruer bei Wiirme und strahlendem Sonnenschein besitzt die Luft in unseren Breiten eine wesentlich hiShere Wasserdampfdichte als im Winter. Die Differenzen der Wasserdampfdichten der Haut und der sommerlichen Luft sind daher vergleichsweise gering. Nur tiber wasserarmen Wiisten ist die Luft unter Umstiinden auch im Sommer so trocken wie sonst im Winter, so dag dann ftir die Haut die gleiche Gefahr der Exsik- kose gegeben ist. Es gibt nicht sehr viele klinische Arbeiten, die versuchen, diese Zusammenhiinge zwi- schen dem Wasserhaushalt der Haut und der Luftfeuchte systematisch in einer fiir die Praxis nutzbaren Weise vor Augen zu ftihren. Eher schon finden sich Einzelbeob- achtungen. Aus der Hautklinik Kiel hat Booken 1968 (1) einige solcher Beobachtungen zusammen- gestellt. Dabei handelt es sich um Hitzewirkungen, wobei die Haut einerseits aufgeheizt und andererseits heiger Luft reit erheblichem Wasserdampfdefizit ausgesetzt worden ist. Die ungewiShnliche Lokalisation der Hautveriinderungen und der Hitzewirkung macht den Zusammenhang offensichtlich. Iraruer erweist sich dabei auch, dag das Alarmzeichen einer drohenden Exsikkose der Juckreiz ist. Booken berichtet u. a. fiber 1.) einen Fernfahrer mit rezidivierendem seborrhoischen Ekzem am rechten Unterschenkel bei dem Laster des Fernfahrers str•Smte die Motorheizungsluft in ungtinstiger Weise gerade gegen den rechten Unterschenke! 2.) einen Arbeiter einer Malzfabrik mit fi•ichenhaft ausgebreiteten miinzenfiSrmigen, gelbroten, trockenen, kleief•Srmig schuppenden Herden am Unterbauch, in den Leistenbeugen und an den Innenseiten der Ober- schenkel seine T&igkeit bestand in der Beschickung eines Darrofens mit Koks, in der Entschlackung der Roste und der schlieglichen Beladung mit Trockengut, wobei Hitze und Staub auf Bauch und Oberschenkel einwirkten 3.) eine junge Arbeiterin einer Glasbl•iserei mit seborrhoider Haut an den H•inden: die Haut war verdickt, ger&et, schuppig, spr•Sde, rissig, besonders tiber den Fingergelenken die 4 Jahre w•ihrende T&igkeit der Arbeiterin bestand darin, die aus dem Ofen kommenden Glaswaren mit einer Eisenstange zur Ktihlbahn zu tragen, wobei trotz starker Hitzewirkung keine Schutzhandschuhe angelegt wurden. Auch an allgemeine Verhaltensweisen sei erinnert (2), beispielweise bei Kranken mit juckenden ,Unterschenkelekzemen. Zur Linderung des Juckreizes ziehen die Kranken nachts die Bettdecke von den Beinen, weil bei niichtlich absinkender Lufttemperatur
WATER MAINTAINANCE OF SKIN 99 einerseits und der Aufwiirmung der Haut unter der Bettdecke andererseits die Differen- zen in den Wasserdampfdichten der Haut und des umgebenden LuftkiSrpers unertr•iglich vergriSgert sind. Sehr charakteristisch ist die Exsikkose der Haut langfristig zu Bett liegender Kranker, nota bene: mit normaler Temperatur. Als gesunder Mensch kann man dieser Situation freilich durch eine feuchte, ,,schwitzige" Haut in der Bettwiirme entgehen. Der Schweigausbruch dient hier allerdings nicht zur Regulation der Kerri- temperatur, sondern vielmehr dem Schutz der Haut vor der Exsikkose. Dieser Hinweis ist allerdings nicht sehr geliiufig. Ober die Zusammenhiinge zwischen dem Wasserhaushalt der Haut und der Luftfeuchte mangeit es an systematischen Untersuchungen, aus denen man die klinische Bedeutung des Problems erkennen wiirde. Dies hat oftenbar mehrere Griinde: 1.) existieren un- klare Vorstellungen fiber die Physik der Atmosphiire, die ihren Ausdruck in verschwom- menen klimatologischen B egriffen wie ,,biologisch aktiven Wetterlagen" findet 2.) spricht man fiber reaktive Verhaltensweisen des Organismus, die fantasievoll als ,,gestiSrte Balancen des Vegetativum" bezeichnet werden 3.) fehlt die Muge und das Miizenaten- turn zu gleichfiSrmigen langjiihrigen Beobachtungen, wie sie die Astronomen zur Be- obachtung der Himmelsbewegungen besitzen 4.) erst neuerdings verftigt man fiber an- spruchsvolle mathemathische Methoden, die ftir die Analyse sich iiberlagernder Perio- dizitiiten unerliiglich sind 5.) mangeIt es an der Einsicht, dag bei dem Problemkomplex, der hier untersucht wird, der Perspiratio insensibilis, dem transepidermalen Wasserver- lust, wie man heute sagt, die Schliisselfunktion zum Verstiindnis zukommt. Die Perspiratio insensibilis ist sEhon im 17. Jahrhundert von Santoro Santorii (1561-1636) mit der Betten- waage gemessen worden (Ars de statica medicina 1614). Der reit diesera Verfahren herauszuwiegende Ge- wichtsverlust des KiSrpers, in 24 Stunden auf die KiSrperoberfl•iche berechnet, stellt freilich eine sehr komplexe GriSge dar. In sie geht zun•ichst einmal grunds•itzlich der schliegliche Wasserverlust durch die Atmung ein. Es braucht hier nicht im einzelnen ausgeftihrt zu werden, in welcher Weise dieser selbst auch nur die HiShe des Passiv-Saldos sehr mannigfacher, einander entgegengesetzt wirkender, allerdings sehr gut analysierter Vorg•inge ausweist. Die Lekttire tiber die Physiologie der Vorg•inge, die zur Perspiratio insensibilis der Haut ftihren, bleibt dagegen unerquicklich. Man kann die ausgedehnten, teilweise sophistischen Diskussionen tiber die Durchl•issigkeit oder Undurchl•issigkeit der Haut fiir Wasser tibergehen. Angesichts der verwirrenden Einzelheiten kann man Thiele's Stogseufzer sogar nachempfinden: ,,Wie wire es, wenn wir einfach . . . einmal unser Vorurteil verg•igen, dag der Zweck einer Schweigdrtise es sei zu schwitzen !" Um die vielfiiltigen und variablen Beziehungen zwischen Wiirme, Wasser, Luft und Haut iiberschauen zu kiSnnen, erinnere man sich an die hygroskopische Natur der Hornsubstanz. Horace B6n6dict de Saussure (1740-1799) hat 1783 aus entfettetem Frauenhaar ein Hygrometer gebaut. Miinnerhaar tibrigens bleibt zu diesem Zweck un- geeignet, auch wenn man es linger wachsen liigt. Da ganz allgemein der Wasserdampf- druck der hygroskopischen Substanzen, also auch der der Hornschicht, sich im Gleich- gewichtszustand mit dem der umgebenden Luft befindet, liigt sich mit Frauenhaaren die direkte Luftfeuchtigkeit, also die Wasserdampfsiittigung der Luft messen. Damit sollte gekliirt sein, dag die zu beobachtenden Variabilitiiten in den Feuchtigkeitsverh•ilt- hissen der Hornschicht grundsiitzlich nur vom Grad der Wasserdampfsiittigung, yon der relativen Feuchte der gegebenen klimatischen Situation des zufiilligen Aufenthalt- ortes abhiingt. Der Zustand der Hornschicht ist yon der relativen Luftfeuchte abhiingig und diagnostisch und therapeutisch yon signifikanter Bedeutung.
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