J. Soc. Cosmet. Chem., 29, 545-558 (September 1978) Der Einflug erogener Duftstoffe auf die visuelle Wahrnehmung erotischer Reize WALTER STEINER*, ERNSTFRIED HANISCH** und DIETER SCHWARZ * * * Synopsis -- Pictures of multiple content were presented to twenty male subjects with the aid of a tachystoscope. As a rule, an erotic scene and a city view were projected simultaneously with one or the other dominant. The time of presentation ranged between 1/250 and 1/125 of a second. The presentation of pictures was conducted with and without simultaneous stimulation from presumably erogenous odors, for which perfumes available on the market were used. It was shown, with a high degree of significance, that the sex motives during odor presentation were more readily recognized even tunder adverse viewing conditions than the building scenes. Changes in the viewing time did not alter the influence of the odor on the results. A. Einleitung Vcrhaltenskundliche, neurophysiologische und psychologische Unter- suchungen lassen erkennen, daf• der Geruchswahrnehmung eine wesent- liche Steuerungsfunktion ffir das soziale Verhalten, insbesondere ftir das Sexualverhalten, zukommt. Dies wird dadurch unterstrichen, dal• das limbische System, ein entwicklungsgeschichtlich in enger Beziehung mit dem Riechhirn stehender Gehirnteil, einen erheblichen Einflul• auf das Sozial- und Sexualverhalten hat. Zahlreiche Tierversuchc zeigen, dat• das sexuelle Verhalten von einem gut funktionierenden Gemchsapparat und auch intakten, zentral-nervOsen Strukturen zur Verarbeitung von Gerfichen abhiingig ist. Schon ftir Insekten ist nachgewiesen, dal• Geruchsstoffe in extrem niedriger Konzentration fiber weite Strecken hin die Auffindung des Sexual- partners gewiihrleistet. Bei Fischen werden die Identifikation der Spezies, * drom, D-8021 Baierbrunn im Isartal. ** Dipl.-Psychologe an der Psychosomatischen Klinik in D-8911 Windach-Ammersee. * * * Chefarzt der Psychosomatischen Khnik in D-8911 Windach-Ammersee. 545
546 JOURNAL OF THE SOCIETY OF COSMETIC CHEMISTS die Geschlechtszugeh6rigkeit und andere soziale Charakteristika wesent- lich durch chemische Sinne vermittelt und die Bildung und Aufrecht- erhaltung stabtier Gruppen dutch die Sinneswahrnehmungen reguliert. In zahlreichen Untersuchungen mit experimenteller Zerst6rung des Bulbus olfactorius, einem Teil des Geruchsorganes, konnte nachgewiesen wetden, dag die sexuelle Aktivitat auch bei mannlichen Tieten gehemmt wurde {1}. '/khnliche Ergebnisse sind bei zahlreichen anderen Tier- spezies erhoben worden, z. B. bei Ratten oder Goldhamstern. Auch bei h6her entwickelten Spezies konnten Hinweise auf ent- sprechende Beziehungen zwischen dem Riechsystem und sexuellen Reaktionen nachgewiesen wetden. Zum Beispiel scheint der von der Ostrogen-Androgenproduktion abhangige Vaginalgeruch bei Rhesusaffen die Attraktivitat des Weibchens ffir mannliche Affen zu steuem. Bei weiblichen Rhesusaffen wurden Pheromone aus der Vagina isoliert und eine Abhangigkeit des mannlichen Verhaltens von der Anwesen- heat dieser Duftstoffe nachgewiesen {2}. Vorwissenschaftliche Erfahrungen fiber die Wirkung von Duftstoffen auf den menschlichen Organismus lassen sich bas in vorgeschichtliche Zeiten nachweisen. Der objektive wissenschaftliche Nachweis derartiger Effekte beam Menschen bereitet jedoch, anders als bei vielen stammesgeschicht- lich f 'mheren Lebewesen, wegen seiner geringen Auspragung und der grol•en individuellen Schwankungen erhebliche Schwierigkeiten. Selbst relativ einfache Differenzierungen wie die Geruchswirkung auf die Dimension Aktivierung/D'•npfung wurden basher selten experimentell erfagt {3 }. Die Abhangigkeit der sexuellen Reaktionen des Menschen von Geruchsreizen ist zwar eine alte Erfahrung, die in zahlreichen Darstellungen fiber aphrodisiakische Wirkungen erwahnt ward, sie ist basher aber experimen- tell wenig belegt. Einer der Grfinde dfirfte sein, dag genetische Verhaltens- steuerungen beam Menschen und frfihkindliche Pragungen stark von Lernfaktoren fiberlagert werden. Immerhin gibt es einige Beobachtungen, die die bisherigen vorwissenschaftlichen Erfahrungen bestatigen: Seat langem ist bekannt, dag die Empfindlichkeit des Geruchssinnes Schwan- kungen unterliegt {4}, die vom Menstruationszyklus abhangen. Sehr interessante, den Ausschaltungsexperimenten bei Nagetieren analoge Beobachtungen wurden bei Menschen mat einer durch pathologische Prozesse bedingten Anosmie beobachtet, d. h. partielle Geruchsblindheit ffihrt zu einer deutlichen Reduktion der sexuellen Reaktionen. R. L. Henkin hat mat Recht darauf hingewiesen, dag dem Geruchssinn trotz seiner engen Beziehungen zu basalen, verhaltenssteuernden Him- funktionen basher nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde. In
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